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Eine Frau, ihr Schmuck und das Meer
Interview mit der Schmuckdesignerin Sibylle Lorsbach
Von Claudia Kressin
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Claudia Kressin: Schmuck wie Wind und Segel: Wie sind Sie auf dieses Thema für Ihre Arbeiten gekommen?

Sibylle Lorsbach: Mich fasziniert die Urkraft des Windes, die bewegend ist im Leisen wie im Starken. Und mich faszinieren Segel durch ihre klare Linienform. Ich finde, ein Segel, das windgefüllt und aufgebläht über das Meer gleitet, ist etwas sehr Kraftvolles und Ästhetisches zugleich. Und eine ganz klare Form, die aber eben von der Naturkraft geschaffen wird. Mich regt dieser Anblick immer wieder an, Metall in Segelform zu übersetzen, es teilweise so zu überspannen und zu überbiegen, dass diese energetische Kraft spürbar wird.

Claudia Kressin: Welche Rolle spielt das Meer für Ihre Faszination?

Sibylle Lorsbach: Das Meer schafft Raum für meine Vorstellungskraft und es bewegt mich gleichzeitig. Und es motiviert mich, diesen Raum zu füllen. Das Meer bedeutet für mich Freiheit, Sehnsucht, aber auch Konfrontation und Erneuerung. Ich erlebe Schutz und Geborgenheit, und zugleich etwas Geheimnisvolles, das meine Neugier weckt.

Claudia Kressin: Ist die Natur neben der großen Metapher Meer noch in einer anderen Form ein Motiv für Ihre Arbeit?

Sibylle Lorsbach: Ich sehe die Natur, wie das Meer, als monochromes Bild. Ich sehe Strukturen, ich sehe Farben. Wenn ich zum Beispiel ein Ährenfeld oder Dünengras betrachte, dann nehme ich deren Bewegung, die Stimmung und die Farben auf. Ich rieche, schmecke und höre, und ich sehe die Bewegung der Elemente als Ganzes. Ich sehe wie es lebt. Ich würde mir nie ein Blatt oder ein Gras vornehmen und es statisch abbilden. Das interessiert mich nicht.

Claudia Kressin: Wie würden Sie denn die Wegstrecke von diesen inneren Bewegungen bis hin zu den filigranen Schmuckstücken beschreiben, die Sie herstellen?

Sibylle Lorsbach: Ich gelange von den äußeren Bildern auf ein inneres Bild, das ich dann in Schmuckelemente umsetze. Eine Stimmung, etwas Atmosphärisches, konzentriert sich dann im Schmuckstück auf eine Linie, aber diese Linie ist empfunden, diese Linie hat Kraft und hat Spannung und man spürt auch, dass sie sozusagen eine Aura hat, sie könnte nach rechts und links schwingen, sie hat ein Feld um sich herum. Sie lebt. Im Grunde ist das Ganze ein Lebensprozess, ein Gang, den ich immer wieder gehe, aber nicht um an ein Ende zu kommen. Ich beginne stets wieder von vorn. Wissen Sie, ich liebe Anfänge. Das hält meine Arbeit lebendig und mich offen. Ich verfolge nicht etwas und perfektioniere das dann. Sondern ich möchte die Bandbreite, die möglich ist, ausprobieren. Ein Beispiel dafür sind die Skulpturen, die jetzt entstehen. Da löse ich mich vom traditionellen Schmuck, von der Kette, vom Ring, von der Brosche, und sehe einfach nur das kleine Objekt, das dreidimensional in einem Raum wirkt, und dann sehe ich, wie dieses Objekt zu mir spricht.

Claudia Kressin: Finden diese Bewegungen ihren Ausdruck auch in dem Material, das Sie verwenden?

Sibylle Lorsbach: Was Materialen angeht bleibe ich einer bestimmten Palette ziemlich treu. Ich habe während des Studiums begonnen mit Edelstahl zu arbeiten und bin dann zu den traditionellen Materialien gelangt, zu Gold, Feingold, Silber. Wichtig sind mir Edelsteine, die ich nach ihren Farbwerten aussuche. Und das Gold ist mir wichtig, weil es in seiner Wärme und in seinen unterschiedlichen Nuancen und Strahlungen einen ganz tollen Kontrast bildet zu dem coolen Edelstahl. Man muss sich viel Zeit nehmen, um die Eigenkraft der Materialien zu erleben. Man muss lange mit ihnen arbeiten, damit man auch mal eine Grenze überschreiten kann. Zum Beispiel ist Edelstahl ein Material, dass sich sehr gegen den Formwillen des Gestalters sperrt. Edelstahl ist sehr ungefügig, und man braucht sehr viel Erfahrung, um ihm Formen abzuverlangen, die er gar nicht so gerne mag. Aber gerade der filigrane Edelstahldraht ist für mich die Grundlage, um in diesen Skulpturbereich einzutreten.

Claudia Kressin: Sind Sie auch ungefügig?

Sibylle Lorsbach: Mit Sicherheit ja, weil Ungefügigkeit im Grunde genommen Voraussetzung ist, um Neues zu finden, und um Lebendigkeit zu zeigen, und darum geht es mir.

Claudia Kressin: Deswegen mag dieses Material Sie auch so gerne?

Sibylle Lorsbach:
Ich habe Respekt vor dem Material und ich habe Respekt vor der Kraft des Materials. Ich lasse mich von dem Material herausfordern, und bin dann auch bereit, mich zu verändern. Ich denke, dass diese Achtsamkeit eine wichtige Grundhaltung ist, um dem Material gerecht zu werden. Es geht also nicht nur darum, dass ich ihm meinen Willen aufzwänge, sondern es kann durchaus passieren, dass die Eigenkraft des Materials mir im Moment eine Lösung bietet. Ich spiele also und bewege und forme und merke plötzlich, dass manchmal schwer nachvollziehbar eine Form entsteht, die so faszinierend ist, dass ich mir sage: Ja, das ist es.

Claudia Kressin: Klingt mehr wie ein Tanz, wie ein Spiel mit Annäherung.

Sibylle Lorsbach: Ja, das ist einfach ein ganz spannender Moment, es ist wie ein Gespräch, wie eine Begegnung. Claudia Kressin: Welche Rolle spielt der menschliche Körper für Ihre Arbeit?

Sibylle Lorsbach: Der Körper ist für mich sehr wichtig. Ich finde es unbedingt notwendig, dass der Schmuck angenehm zu tragen ist, dass die Trägerin wirklich ein gutes, starkes Gefühl hat. Es gibt zum Beispiel Körpernadeln, die von der Brust zur Schulter laufen und ganz dem Schulterblatt und der Linienführung des Körpers angepasst sind. Die Nadeln dürfen nicht extrem abstehen, nicht verletzen, sie sind in sich schon rund und so geformt, dass man sich bewegen kann und sich frei und gut fühlt. Ein Echo, was ich von vielen Frauen bekomme, ist, dass sie das Gefühl haben, dass ihr Schmuckstück zu ihnen gehört. So entsteht über das Schmuckstück Kommunikation.

Claudia Kressin: Beabsichtigen Sie diese Wirkungen?

Sibylle Lorsbach: Teilweise ja. Ich möchte, dass die Trägerin meiner Arbeit den Schmuck nicht in traditioneller Art als Wertaktie, als Prestigeobjekt, als Trendaccessoire trägt. Sondern ich wünsche mir nichts mehr als dass sie einen ganz persönlichen Bezug zu dem Stück bekommt. Und das funktioniert in der Tat. Manche Kundinnen haben mir gesagt, dass das Stück zu ihnen gehört, manche sagen, in bestimmten Momenten tragen sie es, um sich gut und stark zu fühlen. Viele fühlen sich durch meine Schmuckstücke angeregt, ihren Stil zu verändern. Claudia Kressin: Das klingt, als flössen die innere Neuordnung und die Anregungen, die Sie am Meer erleben, wie eine Kaskade weiter fort in die Herzen Ihrer Kundinnen. Sibylle Lorsbach: Ich habe häufig Frauen erlebt, die wirklich tief beglückt waren, weil sie sich vollständiger mit dem Schmuckstück fühlten. Es ist ein unschätzbarer Wert meiner Arbeit, wenn sich jemand so identifizieren kann mit dem Stück. Und ich glaube, genau das ist der wahre Sinn meiner Arbeit.

Claudia Kressin 2004, Kressin Public Relations, Claudia Kressin Lic. rer. publ.









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